Nachruf an Kanzi Bonobo
- Flor
- 3. Apr.
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Wir alle kennen sie vom Namen und Bild her: Die prominente Erdorbit-Hündin Laika, der Filmhund Rex, der „Problembär“ Bruno oder die fotografierende Wiener Orang-Utan namens Nonja und der Wissenschaftsstar Alex der Graupapagei. Tiere können echt prominent werden.
Ein solcher Tier-Superstar war auch der Bonobo Kanzi. Dieser Menschenaffe war weit über die Wissenschaftskreise hinaus als Sprachgenie berühmt. An einem Psychologieinstitut in den USA wurde versucht, seine Ziehmutter Matata mit dem Gebrauch von Lexigrammen - abstrakten Symbolen für Wörter - vertraut zu machen. Matata machte keine besonderen Fortschritte in den Sitzungen, bei denen der kleine Kanzi jeweils einfach mit dabei war. In einer Abwesenheit von Matata begann jedoch der zweieinhalbjährige Kanzi plötzlich von alleine, durch Antippen der Lexigramme die ihnen zugeordneten Begriffe zu kommunizieren. Kanzi hatte das gelernt, als er jeweils beiläufig beobachtet hatte, was WissenschafterInnen und Matata in den Sitzungen miteinander taten.
Diese Erfahrung mit Kanzi veranlasste Sue Savage-Rumbaugh dazu, vom Sprache trainieren zum Sprache erlernen überzugehen: Kanzi wurde von ihr und ihren KollegInnen wie ein Menschenkind überall mitgenommen, etwa zum Kochen am Lagerfeuer im Wald auf dem Institutsgelände. Dabei wurde er ständig verbal miteinbezogen, bei diesem mitzumachen („Leg das Fleisch in die Pfanne!“) oder jenes zu unterlassen („Nein, Du sollst es nicht essen, sondern in die Pfanne legen!“ – Menscheneltern wird das bekannt vorkommen). Mit der Zeit habe Kanzi so mehr als dreitausend Wörter verstanden und mehrere hundert Lexigramme aktiv gebraucht.
Ich habe Kanzi 1996 getroffen, als er am Language Research Center in Atlanta war, wo ich für einige Tage einen von mir sehr geschätzten Kollegen und seine Familie besuchte. Ich war tatsächlich bass erstaunt, wie gut Kanzi unsere gesprochene Sprache verstand. Und wenn er mir mit den Lexigrammen etwas zu verstehen geben wollte (denn Worte mit Mund und Kehlkopf akustisch formulieren können unsere Artverwandtesten nicht), konnte ich Lexigramm-Naivling kaum mithalten, so souverän schnell kommunizierte Kanzi. Aber er wollte, dass ich mit ihm ständig am Gehege entlang Jagdspiele mache.
Im Gegensatz zu den Studien wie etwa mit dem Border Collie Chaser, der um die tausend mit Worten benannte Gegenstände unterscheiden konnte, gehen die Studien mit Kanzi, aber auch Panbanisha, Panzee, oder Sherman tief in die Frage, wie diese wie Menschenkinder geförderten Menschenaffen den Satzaufbau und nicht bloß die Wörter unserer Sprache verstehen. Aber auch wie sie selber aktiv kommunizieren und planen war die Frage. Der so geförderte Kanzi zeigte auch erstaunliche Fertigkeiten im Herstellen von Werkzeugen, die sehr dem ähnelten, was Archäologen für die frühe menschliche Werkzeugherstellung dokumentiert haben.
Die Forschung mit Kanzi war im Ansatz wenig zoologisch, und die Haltung und insbesondere die Ernährung des mit der Zeit stark übergewichtigen Kanzi wurden so stark kritisiert, dass sie geändert werden mussten. Aber die Forschung mit Kanzi war eines der ersten erkenntnisbringenden Projekte mit Menschenaffen dazu, was beim Heranwachsen von uns Menschen so besonders ist. Auch die Mensch und Menschenaffen vergleichende Forschung z.B. der Leipziger Gruppe um Michael Tomasello zeigen, wie früh dabei in der Kindheit einzigartig menschliche Prozesse stattfinden. Kanzi hat Meilensteine auf diesem Erkenntnisweg gelegt und ist vielen von uns so prägnant in Erinnerung, dass Bonobo nicht viel mehr als sein Familienname ist, Kanzi uns aber das prominente Individuum vor Augen führt. Kanzi Bonobo eben.
Kanzi ist unverhofft am 18. März im Alter von 44 Jahren gestorben.
Dr. Gyula Gajdon

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